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Neue Studie zu Kosten und Finanzierung guter Betreuung im Alter
In der Schweiz sind 620’000 ältere Menschen auf Betreuung angewiesen, doch nicht alle können sich diese leisten. Und es werden immer mehr. Eine neue Studie der Paul Schiller Stiftung berechnet, was gute Betreuung für alle Betagten kostet und wie sie finanziert werden sollte. Auch volkswirtschaftlich betrachtet habe gute Betreuung einen deutlichen Nutzen, so die Studie.

Kategorie

Text, Journalismus

Kunde

Nonprofit

Jahr

2021

Der Handlungsbedarf in der Betreuung im Alter zeichne sich immer deutlicher ab, so die Paul Schiller Stiftung. Aufgrund der demografischen Entwicklung werden im Jahr 2050 doppelt so viele über 80-Jährige in der Schweiz leben als heute. Jeder zehnte Einwohnende wird über 80 Jahre alt sein. Damit nehme auch die Zahl jener stark zu, die neben der medizinischen Pflege eine psychosoziale Betreuung benötigen, um möglichst lange selbstständig ihren Alltag zu gestalten und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.

Schon heute sei der Bedarf an zusätzlicher Betreuung gross. Potentiell fehle es mehr als 620’000 Menschen über 65 Jahren an Unterstützung, so die Studie “Gute Betreuung im Alter – Kosten und Finanzierung”. Die Lücke an Unterstützung sei gross, sowohl zu Hause als auch in den Heimen: Es fehlten 20 Millionen Betreuungsstunden. Dies entspreche einem Gegenwert von 0,8 bis 1,6 Milliarden Franken.

Ein Teil dieser Lücke müsse staatlich finanziert werden. Nur mit einem staatlichen En-gagement lässt sich laut Paul Schiller Stifgung sicherstellen, dass sich auch ältere Menschen mit bescheidenen finanziellen Mitteln eine gute Betreuung leisten können. Gleichzeitig müsse das Angebot ausgebaut und weiterentwickelt werden. Wichtig sei, dass dabei die Zugangshürden minimal gehalten würden und die Qualität des Angebots gesichert sei.

Betreuungsgeld für Betreuungszeit ermöglicht Altern in Würde

Gute Betreuung lässt sich bedarfsgerecht für alle älteren Menschen in der Schweiz fi-nanzieren. Die von der Paul Schiller Stiftung publizierte Studie zeigt mehrere Wege auf. Eine Möglichkeit ist demnach ein Betreuungsgeld, das Stundenkontingente für Menschen mit Betreuungsbedarf vorsieht – und so die finanzielle Belastung für die Betroffenen reduziert. Und zwar unabhängig davon, ob jemand zu Hause oder in einem Heim lebt. Zudem finanziert das Modell den Ausbau und die Qualitätssicherung des Betreuungsangebots und stärkt die aufsuchende Arbeit, so die Stiftung.

So erhalten auch ältere Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln Zugang zu qualitativ guten Betreuungsleistungen und können möglichst lange selbstständig, eigenbestimmt und mitten in der Gesellschaft leben.

Mit dem skizzierten Finanzierungsmodell könnten die heutigen Lücken geschlossen werden – in der Finanzierung, beim Angebot und beim Zugang. Das Betreuungsgeld für Betreuungszeit knüpfe an bestehenden Finanzierungsinstrumenten wie die Ergänzungsleistungen zur AHV an und nutze bewährte Fördermechanismen wie die Anstossfinanzierung.

Klar sei: Es bestehe dringender Handlungsbedarf. Wenn die Schweiz nichts tue, drohe eine Unterversorgung für diejenigen älteren Menschen, die Betreuung benötigten. Wenn die richtige Unterstützung fehle, liefen ältere Menschen Gefahr zu vereinsamen sowie zu verwahrlosen und ihre Gesundheit leide. Sie müssten vermehrt notfallmässig ins Spital oder es komme zu vermeidbaren Heimeintritten.

Gute Betreuung habe auch volkswirtschaftlich betrachtet einen Nutzen, so die Stiftung: Sie habe präventive Wirkung, ermögliche älteren Menschen länger ein selbstständiges Leben und erleichtere den Angehörigen die Vereinbarkeit von Betreuung und Beruf.

Gute Betreuung – psychosoziale Begleitung im Alltag

Wolle die Schweiz eine gute Betreuung in der Praxis verankern, brauche es eine Abkehr von der medizinisch orientierten Sicht. Altern sei keine Krankheit, wird Maja Nagel, Stiftungsrätin der Paul Schiller Stiftung, zitiert: «Im Alter brauchen wir individuelle Unterstützung, die uns stärkt und einen selbstbestimmten Alltag und gesellschaftlich integriertes Leben weiterhin ermöglichen.» Gute Betreuung, die den Blick auch auf psychosoziale Aspekte legt, leiste dazu den zentralen Beitrag.

Gute Betreuung im Alter ermögliche älteren Menschen, ihren Alltag weitgehend selbstständig zu gestalten und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, wenn sie das auf Grund der Lebenssituation und physischer, psychischer und/oder kognitiver Beeinträchtigung sonst nicht mehr könnten. 

Gute Betreuung richte sich konsequent an den Bedürfnissen und dem Bedarf der älteren Menschen aus und behalte neben dem körperlichen auch das psychosoziale Wohlbefinden im Blick.

Gute Betreuung könne die Kompetenzen älterer Menschen erhalten, gesundheitliche Verschlechterungen bremsen und verhindern. Dies entlaste das Gesundheitswesen und unterstütze wirkungsvoll die betreuenden Angehörigen.

Betreuung sei ein zentrales Element einer wirkungsvollen Unterstützung im Alter, so die Studie. Sie sei als eigenständige Unterstützungsform zu betrachten, die im Idealfall eng vernetzt mit der Hilfe und wenn nötig auch mit der Pflege im Alltag umgesetzt werde. Das gehe nur, wenn alle Beteiligten auf allen Ebenen ein klares und gemeinsames Verständnis von Betreuung und ihrem Wert hätten.

Mit guter Betreuung könnten die Selbstbestimmung, die psychische Widerstandskraft und die Lebensqualität im Alter erhalten und unnötige Kosten eingespart werden. Gute Betreuung befähige Menschen, möglichst lange autonom zu bleiben.

Alle Menschen haben das Recht, in Würde und ohne Diskriminierung alt zu werden, betont die Paul Schiller Stiftung. Das erfordere einen ganzheitlichen Ansatz von Unterstützung, der Betreuung umfasse, sowie ein staatliches Engagement, das den Zugang sichere.

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