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Corona und die Bildungskrise

Für mehr als 168 Millionen Kinder weltweit sind seit fast einem Jahr ihre Schulen geschlossen. Eines von sieben Kindern hat mehr als drei Viertel des Unterrichts verpasst. Neue UNICEF-Zahlen zur Auswirkung der Corona-Pandemie.

Kategorie

Text, Journalismus

Kunde

Nonprofit

Jahr

2021

14 Länder haben sich von März 2020 bis Februar 2021 weitgehend im Lockdown befunden, heisst es in einem neuen Bericht des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen Unicef. Zwei Drittel dieser Länder gehören zu Lateinamerika und der Karibik, mit fast 98 Millionen Schulkindern. Von den 14 Ländern waren die Schulen in Panama die meisten Tage geschlossen, gefolgt von El Salvador, Bangladesh und Bolivien.

Zwischen März 2020 und Februar 2021 waren die Schulen weltweit durchschnittlich an 95 Unterrichtstagen geschlossen. Dies entspricht laut Bericht ungefähr der Hälfte der eigentlich vorgesehen Schulzeit. Lateinamerika und die Karibik waren mit durchschnittlich 158 ausgefallenen Unterrichtstagen am heftigsten betroffen, gefolgt von den südasiatischen Ländern mit 146 Tagen. Danach folgten die Länder im östlichen und südlichen Afrika mit 101 Tagen.

214 Millionen Schülerinnen und Schüler aus 23 Ländern haben seit März 2020 mindestens drei Viertel ihrer Unterrichtszeit in ihren Schulen verpasst. 168 Millionen aus 14 Ländern verpassten darunter durch Schulschliessungen praktisch den gesamten Unterricht. Erschwert wird dies durch die Tatsache, dass denjenigen Kindern und Jugendlichen mit den grössten Unterrichtseinbussen gleichzeitig am wenigsten stabile Internetverbindungen zur Verfügung stehen.

Nach Schätzungen der Weltbank könnten die weltweiten Schulschliessungen dazu führen, dass dieser Generation auf die gesamte Berufslaufbahn gerechnet mindestens 10 Billionen US-Dollar entgehen. Erste weltweite Untersuchungen zeigen zudem, dass die Schulschliessungen mit der Zunahme von Kinderheirat und sexueller Gewalt zusammenhängen.

Der erste Jahrestag der Covid-19-Pandemie erinnere an die katastrophale Bildungskrise durch die weltweiten Lockdowns, so Henrietta Fore, Unicef-Exekutivdirektorin: “Mit jedem Tag der vergeht, bleiben Kinder, die keinen Zugang zu direktem Unterricht haben, weiter zurück und die am meisten benachteiligten Kinder zahlen den höchsten Preis.” Nun dürfe man nichts unversucht lassen, um die Schulen offen zu halten oder rasch wieder zu eröffnen.

Schulschliessungen haben verheerende Folgen für das Lernen und das Wohlbefinden von Kindern, heisst es in einer Medienmitteilung des Werkes. Die am stärksten gefährdeten Kinder und diejenigen, die keinen Zugang zu Distanzunterricht hätten, seien einem erhöhten Risiko ausgesetzt, nie wieder in die Schulen zurückzukehren und zu Kinderehen oder Kinderarbeit gezwungen zu werden. Neuesten Daten der Unesco zufolge seien weltweit mehr als 888 Millionen Kinder durch vollständige oder teilweise Schulschliessungen in ihrer Bildung beeinträchtigt.

Für die Mehrzahl der Kinder weltweit seien Schulen Orte, an denen sie sich mit Gleichaltrigen austauschen könnten, Unterstützung erhielten, Zugang zu Gesundheitsdiensten und Impfungen hätten sowie eine nahrhafte Mahlzeit bekämen. Je länger die Schulen geschlossen blieben, desto länger blieben Kindern wesentliche Elemente vorenthalten, die sie für ein gutes Aufwachsen bräuchten, so Unicef.

Mit einer eigenen Installation möchte das Kinderhilfswerk auf die Bildungskrise aufmerksam machen und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit schaffen, dass Regierungen bei Lockerungsplänen Schulen Priorität einräumen müssen. Der “Pandemic Classroom” am Hauptsitz in New York, ein Modell-Klassenzimmer aus 168 leeren Schreibtischen, steht für die 168 Millionen Kinder, die in Ländern leben, in denen Schulen seit einem Jahr fast vollständig geschlossen sind.

Man wolle nicht, dass verschlossene Türen und geschlossene Gebäude die Tatsache verschleierten, dass die Zukunft der Kinder auf unbestimmte Zeit aufgeschoben werde, so Henrietta Fore: “Wir müssen die Wiedereröffnung von Schulen priorisieren und wir müssen priorisieren, dass sie in einem besseren Zustand als zuvor wiedereröffnet werden.”

Wenn Schulkinder in ihre Klassenzimmer zurückkehrten, benötigten sie Unterstützung, um sich wieder einzugewöhnen und den Lernstoff aufzuholen. Pläne zur Wiedereröffnung von Schulen müssten deshalb Massnahmen enthalten, die verlorene Bildung der Kinder auszugleichen. Unicef fordert die Regierungen auf, den individuellen Bedürfnissen jedes einzelnen Schulkindes Vorrang einzuräumen und in den Schulen mit umfassenden Angeboten in den Bereichen Nachhilfeunterricht, Gesundheit und Ernährung sowie psychischer Gesundheit und Schutzmassnahmen die Entwicklung und das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen zu fördern.

Während mit 53 Prozent knapp die Mehrheit der Länder Anfang Februar 2021 ihre Schulen wieder vollständig geöffnet haben und ein knappes weiteres Viertel zumindest zum Teil geöffnete Schulen, so stehen 196 Millionen Schülerinnen und Schüler aus 27 Ländern weiterhin vor geschlossenen Schultüren. Diese Kinder und Jugendlichen haben seit März 2020 fast 80 Prozent ihres Unterrichts verpasst.

Bereits in einem früheren Bericht des Unicef-Forschungszentrum hebt das Kinderhilfswerk die enormen Belastungen für Kinder durch die Pandemie hervor. Dazu zählen der Verlust von Angehörigen und Freunden, Angst, Ausgangsbeschränkungen, fehlende Unterstützung, Schulschliessungen, das Ausbalancieren von Arbeit und Privatleben in den Familien, unzureichender Zugang zu Gesundheitsmassnahmen sowie Einkommens- und Jobverluste.

Diese Belastungen könnten Kindern enormen Schaden zufügen. Sie gefährdeten ihre mentale und körperliche Gesundheit und Entwicklung. Bereits vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie waren laut Bericht 20 Prozent der Kinder in EU- und OECD-Ländern armutsgefährdet. In der Schweiz waren es 19 Prozent. Mit dem erwarteten starken Rückgang der Wirtschaftsleistung in den nächsten zwei Jahren in fast allen untersuchten Ländern dürften ohne schnelle Gegenmassnahmen der Regierungen viele heute armutsgefährdete Kinder in die Kinderarmut abrutschen, so das Kinderhilfswerk.

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