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Auch in reichen Ländern ist das Kindeswohl in GefahrKategorie
Text, Journalismus
Kunde
Nonprofit
Jahr
2020
Viele der reichsten Länder der Welt, die eigentlich über genügend Ressourcen verfügten, scheitern, wenn es darum geht, allen Kindern eine gute Kindheit zu ermöglichen, sagt Gunilla Olsson, Direktorin von Unicef Innocenti. Das Forschungszentrum des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen erforscht das kindliche Aufwachsen und möchte weltweite Debatten zu Kinderrechten und ihrer Entwicklung anstossen.
Auch in reichen Ländern ist das Kindeswohl in Gefahr, lautet das Ergebnis des jüngst veröffentlichten Forschungsberichtes, der gleichzeitig vor gravierenden Gefahren für das Kindeswohl durch die Covid-19-Pandemie warnt. Die Niederlande, Dänemark und Norwegen liegen in Bezug auf das Wohlbefinden von Kindern auf den ersten drei Plätzen unter 41 Ländern der OECD und der Europäischen Union. Die Schweiz rangiert auf Platz 4.
Wenn Regierungen nicht schnell und entschlossen handelten und der Schutz von Kindern nicht Teil der Reaktion auf die Covid-19-Pandemie sei, müsse man mit steigenden Armutsraten, einer Verschlechterung der mentalen und physischen Gesundheit und einer wachsenden Kluft bei der Qualifikation von Kindern rechnen, wird Olsson in einer Medienmitteilung des Kinderhilfswerkes zitiert. Die Unterstützung von Kindern und ihren Familien während der Pandemie sei erschreckend unzureichend. Es müsse mehr getan werden, um Kindern eine sichere und gute Kindheit zu ermöglichen.
Kinder profitieren von ihren Familien
So geben laut Bericht in den meisten untersuchten Ländern weniger als 80 Prozent der 15-jährigen Mädchen und Jungen an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. In der Türkei liegt der Anteil mit 53 Prozent am niedrigsten, gefolgt von Japan und Grossbritannien. In der Schweiz haben fast 82 Prozent der Mädchen und Jungen eine hohe Lebenszufriedenheit, gleichauf mit Kroatien. Die Niederlande führen die Liste mit 90 Prozent an, Frankreich liegt bei 80, Österreich bei 77 und Deutschland bei 75 Prozent.
Kinder, die wenig Unterstützung von ihren Familien erhalten oder unter Mobbing leiden, geht es laut Bericht mental signifikant schlechter. Litauen hat mit 18,2 auf 100’000 die höchste Selbstmordrate und Jugendlichen, die Schweiz und Österreich liegen mit rund 7 im Mittelfeld, deutlich weniger weisen Deutschland mit 4,4 und Frankreich mit 3,4 auf. Selbstmord ist laut Unicef eine der Haupttodesursachen in der Altersgruppe zwischen 15 und 19 Jahren in reichen Ländern.
Der Anteil der Kinder mit Fettleibigkeit und Übergewicht ist in den vergangenen Jahren auf etwa eines von drei Kindern gewachsen. Die Raten wachsen laut Bericht besonders in Südeuropa. In der Schweiz liegt der Anteil bei fast 22 Prozent, wobei dies die fünftgeringste Zahl im Vergleich bedeutet. In Deutschland und Österreich liegt die Quote bei 27 Prozent, in Frankreich bei 30 Prozent. Die USA bilden mit 42 Prozent das Schlusslicht.
In mehr als einem Viertel der reichen Länder liegt die Kindersterblichkeit bei Kindern zwischen fünf und vierzehn Jahren bei einem von 1000. In der Schweiz und Deutschland liegt dieser Anteil bei 0,7 von 1000, in Österreich und Frankreich bei 0,8.
Körperbilder beeinflussen Mädchen stark
Das Bild des eigenen Körpers beeinflusst in reichen Ländern die Lebenszufriedenheit von Mädchen doppelt so stark wie die von Jungen, lautet ein weiteres Fazit des Berichtes. Während in Frankreich 41 Prozent der 11-, 13- und 15-Jährigen mit dem eigenen Körper unzufrieden sind, sind es in der Schweiz 47, in Österreich 49 und in Deutschland 52 Prozent. Das Mittel liegt insgesamt bei 45 Prozent, wobei 29 Prozent darunter denken, sie seien zu dick, und 16 Prozent meinen, sie seien zu dünn. Mädchen, die mit ihrem Körper zufrieden sind, entspringen mehrheitlich Familien und einem Umfeld mit einem positiven Körperbild, das auf gesunder Kost und Bewegung beruht, und weniger einem Umfeld mit einem negativen, zum Beispiel durch Diäten abgegrenzten Körperbild, so die Forscher.
Rund 40 Prozent aller Kinder in den Ländern der OECD und der Europäischen Union verfügen mit 15 Jahren nicht über grundlegende Fähigkeiten im Lesen und Rechnen. Kinder in Bulgarien und Rumänien schneiden mit weniger als 35 Prozent am schlechtesten ab, am besten liegen dagegen die Mädchen und Jungen in Estland, Irland und Finnland mit jeweils knapp unter 80 Prozent. In Deutschland verfügen 73 Prozent über diese Fähigkeiten, in Frankreich 67 Prozent, während die Schweiz und Österreich mit 65 und 63 Prozent im Mittelfeld liegen.
In den meisten Ländern hat eines von fünf Kindern nur wenig Vertrauen in seine soziale Fähigkeit, neue Freunde zu finden. Kinder in Chile, Japan und Island sind in dieser Hinsicht mit 68 bis 70 Prozent am wenigsten zuversichtlich. In Frankreich sagen 81 Prozent der Mädchen und Jungen, dass es ihnen leichtfällt, schnell Freundschaft zu schliessen, in der Schweiz 79, in Österreich 77 und in Deutschland 72 Prozent.
Kindeswohl: es gibt auch Fortschritte
Gleichzeitig zeige der Unicef-Bericht jedoch auch erkennbare Fortschritte für Kinder, so die Medienmitteilung. Im Durschnitt besuchen demnach 95 Prozent aller Kinder im Vorschulalter organisierte Förderangebote. Die Zahl der jungen Menschen, die weder zur Schule gehen, noch eine Ausbildung machen oder an einem Trainingsprogramm teilnehmen, ist in 30 von 37 Ländern gesunken. Diese wichtigen Fortschritte sehe UNICEF allerdings durch Covid-19 in Gefahr. Der Bericht stuft die Länder auch mit Blick auf ihre politischen Massnahmen zur Förderung des Wohlbefindens von Kindern, ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation sowie der Umweltbedingungen ein. Norwegen, Island und Finnland weisen dabei die besten Bedingungen auf, gefolgt von Deutschland. Die Türkei, Mexiko und Griechenland schneiden hier am schlechtesten ab.
Auswirkungen von Covid-19
Aufgrund der Covid-19-Pandemie haben die meisten untersuchten Länder Schulen für mehr als 100 Tage geschlossen und strikte Ausgangsbeschränkungen umgesetzt. UNICEF hebt hier die enormen Belastungen für Kinder durch die Pandemie hervor. Dazu zählen: der Verlust von Angehörigen und Freunden, Angst, Ausgangsbeschränkungen, fehlende Unterstützung, Schulschliessungen, das Ausbalancieren von Arbeit und Privatleben in den Familien, unzureichender Zugang zu Gesundheitsmassnahmen sowie Einkommens- und Jobverluste. Diese Belastungen können Kindern enormen Schaden zufügen; sie gefährden ihre mentale und körperliche Gesundheit und Entwicklung. Bereits vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie waren 20 Prozent der Kinder in EU- und OECD-Ländern armutsgefährdet; in der Schweiz waren es 19 Prozent. Mit dem erwarteten starken Rückgang der Wirtschaftsleistung in den nächsten zwei Jahren in fast allen untersuchten Ländern dürften ohne schnelle Gegenmassnahmen der Regierungen viele heute armutsgefährdete Kinder in die Kinderarmut abrutschen.
Aufgrund der Covid-19-Pandemie haben die meisten untersuchten Länder Schulen für mehr als 100 Tage geschlossen und strikte Ausgangsbeschränkungen umgesetzt. Unicef hebt hier die enormen Belastungen für Kinder durch die Pandemie hervor. Dazu zählen der Verlust von Angehörigen und Freunden, Angst, Ausgangsbeschränkungen, fehlende Unterstützung, Schulschliessungen, das Ausbalancieren von Arbeit und Privatleben in den Familien, unzureichender Zugang zu Gesundheitsmassnahmen sowie Einkommens- und Jobverluste.
Diese Belastungen könnten Kindern enormen Schaden zufügen, so die Mitteilung. Sie gefährdeten ihre mentale und körperliche Gesundheit und Entwicklung. Bereits vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie waren demnach 20 Prozent der Kinder in EU- und OECD-Ländern armutsgefährdet. In der Schweiz waren es 19 Prozent. Mit dem erwarteten starken Rückgang der Wirtschaftsleistung in den nächsten zwei Jahren in fast allen untersuchten Ländern dürften ohne schnelle Gegenmassnahmen der Regierungen viele heute armutsgefährdete Kinder in die Kinderarmut abrutschen, so das Kinderhilfswerk.
Auf Grundlage der aktuellen Entwicklungen ruft Unicef zu verschiedenen Massnahmen auf. So müssten Einkommensungleichheit und Kinderarmut entschlossen bekämpft werden, damit alle Kinder Zugang zu notwendigen Ressourcen erhielten. Die unzureichende Versorgung mit Hilfsangeboten im Bereich mentaler Gesundheit müsse schnellstens überwunden werden. Weiter fordert das Kinderhilfswerk, dass eine familienfreundliche Politik zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgeweitet wird, insbesondere der Zugang zu hochwertigen, flexiblen und bezahlbaren Betreuungsangeboten für Kinder in den ersten Lebensjahren. Der Schutz von Kindern vor vermeidbaren Krankheiten müsse gestärkt werden, der Trend zu sinkenden Masernimpfungsraten umgekehrt. Und schliesslich müssten die Covid-19-Massnahmen für Familien und Kinder verbessert werden. Budgets, die das Wohlergehen vom Kindern unterstützten, müssten vor Sparmassnahmen geschützt werden.